Kindeswohlgefährdung

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Kindeswohlgefährdung

 

Die Neufassung des § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im November 2000 sorgte für einschneidende Veränderungen im Familienrecht: Der bis dahin bestehende Züchtigungsparagraf wurde zugunsten einer gewaltfreien Erziehung novelliert und damit der Schutz und das Wohlergehen Minderjähriger gesetzlich verankert. Entsprechend sind elterliche Rechtfertigungsgründe zu körperlichen Bestrafungen entfallen, das Kindeswohl steht an erster Stelle. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, wie lässt sich eine Kindeswohlgefährdung erkennen und welche Folgen ergeben sich bei einer Nichtbeachtung der aktuellen Normen?

 

Wie wird Kindeswohl definiert?

Mag es auch an einer expliziten Definition des Terminus „Kindeswohl“ fehlen, so dienen die Grundrechtscharta der Europäischen Union sowie die Vorschriften zur „Elterlichen Sorge“ ab §§ 1626 BGB als in Deutschland allgemein anerkannte Basis zu seiner Beurteilung. Danach gelten Minderjährige in ihrem Wohlergehen und in ihrer Entwicklung als geschützt:

  • unterhalten sie eine permanent gefestigte Bindung zu ihren Sorgeberechtigten

  • werden sie gewaltfrei zu selbstständigen, verantwortungsbewussten Personen erzogen

  • wird ihren Verhaltensweisen altersabhängig Rechnung getragen

Was umfasst eine Kindeswohlgefährdung?

Entgegen weitläufigen Annahmen sind Kindeswohlgefährdungen in Deutschland keine Seltenheit. Über 60.000 Fälle werden im Jahresdurchschnitt bei den Behörden angezeigt, in drei Vierteln von ihnen folgte mit einer Inobhutnahme ein drastischer Eingriff durch den Staat in die elterliche Fürsorge. Familienrichter gehen wie folgt von einer Kindeswohlgefährdung aus:

  • realisiert sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung eines Kindes oder Jugendlichen

  • liegt eine entsprechende Behinderung der sorgenfreien Entfaltung und Entwicklung der betroffenen Minderjährigen bereits vor

Eine Kindeswohlgefährdung kann auf zahlreiche Arten und sowohl durch aktives Tun als auch passive Unterlassungen herbeigeführt werden. Unter anderem gelten die folgenden Verhaltensweisen als ungerechtfertigte Beeinträchtigungen des psychischen und physischen Wohlergehens von Kindern:

  • minderwertige Ernährung

  • fehlende Zuwendung

  • unzureichende medizinische Versorgung

  • mangelhafte Betreuung

  • körperliche Züchtigung

  • seelische Vernachlässigung

  • verbale Erniedrigungen

  • lautstarke, anhaltende Streitigkeiten zwischen den Elternteilen

Hinweis: Auch ein Übermaß an Fürsorge und eine unnatürlich enge Behütung kann den Tatbestand der Kindeswohlgefährdung erfüllen.

 

Woran erkennen Außenstehende eine Kindeswohlgefährdung?

Für Dritte ist es nicht immer einfach, die Grenzen zwischen einer Kindeswohlgefährdung und berechtigten erzieherischen Maßnahmen zu erkennen. Unter anderem liegt dies an den individuell verschiedenen Reaktionen der Minderjährigen auf eine körperliche oder seelische Misshandlung. Mögliche Anzeichen lassen sich unter anderem aus den folgenden Verhaltensweisen ablesen:

  • Appetitlosigkeit

  • Erschöpfung

  • Konzentrationsschwierigkeiten

  • Zanklust

  • Scheu

  • Lügen

  • Angst

Wer unsicher ist, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, sollte seinen Verdacht dennoch melden. Eine Verpflichtung besteht jedoch nur in Ausnahmefällen.

 

Welche Schritte folgen einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung?

Außenstehende sind ausschließlich in schwerwiegenden Fällen zur Information zuständiger Behörend verpflichtet, ausgewählte Berufsgruppen wie Erzieher oder Kinderärzte müssen bereits bei ersten Anzeichen tätig werden. Sie können sich mit ihrem Verdacht jeweils an die folgenden Institutionen wenden:

  • Jugendämter

  • Kinderschutzzentren

  • Familien­beratungsstellen

  • Polizei

Gemeldete Verdachtsfälle werden von den erfahrenen Mitarbeitern der Behörden weiterverfolgt. Erweisen sie sich als unrichtig, legen sie sie ad acta, erhärten sie sich, entscheiden sie anhand der individuellen Situation über weitere Schritte.

 

Welche Maßnahmen erfolgen aufgrund welcher Gesetzesgrundlagen?

Wer das Kindeswohl gefährdet, verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Als Folge ist es dem deutschen Staat nicht nur gestattet, zur Gewährleistung der physischen, psychischen und mentalen Unversehrtheit von Minderjährigen in die elterliche Fürsorgepflicht einzugreifen. Er ist dazu nach Artikel 6 Grundgesetz auch verpflichtet.

§ 1666 BGB regelt die möglichen Maßnahmen, die sämtlich verhältnismäßig und angemessen sein müssen. In der Regel steht zunächst eine Kontaktaufnahme durch das Jugendamt bei den betroffenen Familien an. Fallen die angebotenen Beratungs- oder Hilfsangebote nicht auf fruchtbaren Boden, dürfen weitere Anordnungen zu verpflichtenden Arztbesuchen oder der Inobhutnahme des Kindes erfolgen.

Hinweis: Der Entzug des elterlichen Sorgerechts gilt als letztes geeignetes Mittel und bedarf einer Anhörung der Erziehungsberechtigten vor dem zuständigen Familiengericht. Unberechtigte Kindesentziehungen durch Jugendämter sind nach § 235 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar.

Eine Misshandlung Schutzbefohlener steht nach § 225 StGB unter Strafe. Neben einer möglichen Verurteilung der Erziehungsberechtigten steht Minderjährigen hier ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Dieser lässt sich strafrechtlich wie auch in Verbindung mit dem Tatbestand der körperlichen Unversehrtheit des § 1631 BGB in einem separaten Zivilprozess geltend machen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter https://www.anwalt.org/kindeswohlgefaehrdung/.

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Das Netzwerk Prävention und Gesundheit Wir stärken Dich e. V. wurde 2003 mit dem Ziel gegründet, Kinder und Jugendliche durch gewalt- und suchtpräventive Projektarbeit sowie durch die Förderung und Unterstützung von gewalt- und suchtpräventiver Angebote anderer gemeinnütziger Träger stark und selbstbewusst zu machen. Ergänzt wird dieses Angebot durch Projekte zu den Themen Bewegung und Ernährung.